Christoph Schütte (FAZ)
Die 'Unbesiegte': Gipsmodell der Statue im Atelier der Künstlerin
Sie hat es wieder getan. Und nicht zum letzten Mal. So werden es zumindest diejenigen vermuten, die Wanda Pratschke auch nur ein wenig näher kennen. Zwar stimmt es schon, man hatte es ohnehin nicht recht glauben wollen, dass es nun tatsächlich genug sein solle. Dass Pratschke es künftig wirklich gut sein lassen wolle mit der Arbeit an immer größeren und mächligeren Skulpturen. So erklärte sie es vor gut einem Jahr neben ihrer gerade erst vollendeten "Großen Frau". Andererseits ist die Ar-beit an Pratschkes gewaltigen, für den Außenraum vorgesehenen Plastiken, zu denen Skulpturen wie die "Große Liegende" oder die "Schöne" am Frankfurter Flughafen zählen, für die Künstlerin stets auch eine gewaltige Anstrengung – gedanklich, finanziell naturgemäß, aber auch und vor allem körperlich.
Seinerzeit hatte die Frankfurter Bild-hauerin mit ihrer großen Ausstellung im Kunstverein Familie Montez gerade erst ihren 80. Geburtstag gefeiert. Man mochte es insofern immerhin für denkbar halten, dass die 1939 in Berlin geborene Künstlerin in Zukunft wahrhaftig kleinere Brötchen backen werde. Doch dann kam Pratschke im Januar 2020 aus Brasilien zurück, wo eine ihrer Töchter lebt, und dachte: "Wenn ich mich jetzt verzettele, wenn ich mich jetzt einfach bloß noch wiederhole, das bringt ja nichts." So hat es Pratschke, seit sie mit fast 40 Jahren anfing, an der Frankfurter Städelschule zu studieren, im Grunde schon immer gehalten.
Dabei hat die Schülerin von Willi Schmidt ihr Thema mit der vorwiegend weiblichen Figur und ihren Stil mit seinen runden, ausladenden und nachgerade schmeichlerischen Formen schon früh gefunden. Zufriedengegeben aber hat sie sich damit nie. Im Gegenteil – sie hat so manchen ihrer treuen Sammler mit ihren zunehmend am künstlerischen Arbeitsprozess, am Fragment und an rauen, zerklüfteten Oberflächen interessierten Bronzen immer wieder vor den Kopf gestoßen. Und dann wieder ganz neu für ihr Werk gewonnen.
Jetzt aber, in dieser seltsamen, von der Corona-Pandemie zunehmend beherrschten Zeit, hat ihr die Arbeit an der "Unbesiegten", die im Laufe des Jahres 2021 mit Hilfe einer ganzen Reihe von Sponsoren auf dem Westend-Campus der Frankfurler Goethe-Universitäl zu stehen kommen soll, zusammen mit der dafür nötigen Kraftanstrengung eine Menge Halt gegeben. Und geholfen, nicht in ein Loch zu fallen.
Mehr noch. "In dieser Zeit, in der man isoliert ist, kaum Freunde trifft und kaum einmal in eine Ausstellung gehen kann, hat mich die Arbeit richtig glücklich gemacht", sagt Pratschke. Die Befriedigung, den Stolz und die Genugtuung sieht man der Künstlerin nun, da der Guss unmittelbar bevorsteht, durchaus an. Sechs Monate lang ist sie Tag für Tag ins Atelier gekommen, hat zunächst vor allem gezeichnet und sich den Fragen nach Raum und Proportion, Maß und Volumen zunächst in der Fläche, dann aber auch in Modellen und Maquetten genähert. Wer sie ab und an besuchte, konnte die "Unbesiegte" im Laufe des Sommers aus Gips, Eisen und Styropor allmählich wachsen und nach dem entschlossenen Einsalz eines Beiles auch wieder schrumpfen sehen. Wer vorbeischaute, sah sie fülliger und wieder schlanker werden und buchstäblich Form annehmen.